Liebes Team Dialog Digitalisierung,
ich war bei Ihrer Veranstaltung eher in einer beobachtenden Rolle. Trotzdem oder gerade deswegen möchte ich mich noch einmal zurückmelden und sagen, wie inspirierend ich viele der Gespräche und vor allem die abschließende Podiumsdiskussion empfunden habe!
Die Kernaussage von Wissenschaftlern und Praktikern war in meinen Augen "Die Wissenschaft hinkt der Praxis hinterher" und damit verbunden die Frage "Was kann im Dialog und in der Arbeit untereinander verbessert werden, um diesen Zeitverzug zu verringern?" Es wurde viel darüber diskutiert und auch manche Vorschläge gemacht, letztlich aber die These aufgestellt, dass dieses "Problem" nicht befriedigend zu lösen sei.
Ich stelle in dem Zusammenhang aber die Frage oder das Problem in Frage. Ich bin der Meinung, die Forschung folgt der Praxis auf ganz natürliche Art und Weise. Ich bezeichne das nicht als Problem. Kann man nicht grundsätzlich in der Wissenschaft sagen, dass es erst einen Untersuchungsgegenstand in der Praxis geben muss, damit die Forschung tätig werden kann? Um beim Thema Digitalisierung in der Erwachsenenbildung zu bleiben, werden also in der Praxis zunächst Lehrende mit der Entwicklung digitaler Medien konfrontiert und mit der Frage ob und wie diese im Unterricht einzusetzen sind. Sie probieren die Neuerscheinungen aus, scheitern mit den einen Ideen und bereichern und verbessern mit den anderen ihre Lehre. Dabei werden je nach Lehrsituation, Lehrpersönlichkeit und Zielgruppe andere Vorgehensweisen erfolgreich sein oder eben nicht. Die Wissenschaft greift dann die neue Entwicklung auf und beforscht sie auf verschiedenen Ebenen. Probleme, Ursachen, Wirkung, Lösungsansätze werden untersucht und generalisiert. Möglicherweise können Gesetzmäßigkeiten zum Beispiel bezüglich der Zielgruppe entdeckt und vor allem ein größerer Zusammenhang hergestellt werden. Die Ergebnisse werden in einem erfolgreichen Wissenstransfer dann den Lehrenden zur Verfügung gestellt, damit sie einzelne Ergebnisse nutzen können. Auf diese Weise muss nicht jede Lehrperson immer wieder aufs Neue durch Versuch und Irrtum die eigene Mediennutzung im Kurs ausprobieren, sondern kann bewährte Konzepte nutzen, beziehungsweise die Möglichkeiten und Hintergründe digitaler Medien besser verstehen und daran den eigenen Medieneinsatz ausrichten.
Selbstverständlich läuft aber die technische Entwicklung weiter. Immer wieder werden neue digitale Medien oder neue Möglichkeiten bestehender digitaler Medien entwickelt und so werden dauerhaft Lehrende mit technischen Neuheiten konfrontiert, mit der Frage, ob und wie sie sie in der Lehre einsetzen sollten, sie werden sich und den Medieneinsatz ausprobieren und die Forschung wird wiederum untersuchen, generalisieren, Gesetzmäßigkeiten finden, Hintergründe und große Zusammenhänge liefern, an denen sich Lehrende orientieren können.
Damit stellt es für mich den natürlichen Gang der Dinge dar, dass die Forschung auf die Praxis folgt, aber trotzdem mit ihren Ergebnissen den Praktizierenden hilft, sich weiterzuentwickeln, die eigenen Lehrkonzepte zu optimieren und darauf aufbauend wiederum dazu befähigt, mit Neuerungen umzugehen.
Nun interessiert mich, wie das andere Beteiligte sehen? Mache ich es mir mit meiner Erklärung zu einfach? Blende ich wesentliche Aspekte aus? Oder stehen wir gerade an diesem Punkt, dass die Forschung ihrem Auftrag nicht ausreichend oder nicht schnell genug gerecht wird, das Bestehende zu erfassen und Erkenntnisse zu liefern?